Beobachtungen auf einer achttägigen Tour von Bad Laasphe nach Montabaur auf dem europäischen Fernwanderweg E1 - durch das Siegerland und den Westerwald. Etwa 170 Kilometer mit knapp 4.000 Höhenmetern im Anstieg (Planung per Open Street Map - OSM). Im Abstieg ungefähr genausoviel. Angehängt wurde die Etappe zwischen Oberursel und Frankfurt-Sachsenhausen - bei Kaiserwetter.
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Wer die Wanderung mitverfolgt hat, hat es auch mitbekommen: Wegen Unpässlichkeiten musste die Tour bei Montabaur abgebrochen werden. Die sechs Etappen von Montabaur über den Taunus nach Oberursel müssen ins nächste Jahr verlegt werden (Link führt zum Beitrag mit Erläuterung).
Die "Unvollendete" ist sehr erkenntnisreich
Von diesem Trip kann man nicht sagen, dass er unbeschwert ist. Es gibt Leichtigkeit, ja. Aber das Land, Siegerland und Westerwald, ist so voll von Besonderheiten, überdies reich gesegnet mit bewaldeten Hügeln - die, kaum ist man im Tal angekommen, wieder aufs Neue erklommen werden müssen-, dass es schlechterdings unmöglich ist, einfach nur darüber hinwegzuschweben.

Nehmen wir mal die Drei. Walline, Walter und Waldemar. Gleich am Beginn der Wanderung in Bad Laasphe darf man grübeln, was das "wallachische" Arrangement wohl für eine Bedeutung haben mag. Wer etwas länger fürs Nachdenken braucht, der kann es sich auf der Bank bequem machen und die Gruppe eingehend (gutes Wort - passt in den Zusammenhang) studieren
Es ist der Unkenntnis der "Südländerin" geschuldet, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, wie der Landstrich heißt, der gerade bewandert wird. Es ist aber auch verwirrend:

"Dicke Sauerländer Bockwurst" am Straßenrand. Sauerland oder Siegerland? Zu allem Überfluss lesen wir in Wikipedia, dass das Gebiet "landschaftlich identisch" ist (Link führt zu Wikipedia). Die Sauer- / Siegerländer werden sich bedanken
Sehr waldreich ist die gesamte Region. Wenn man mal davon absieht, dass diese Aussage bald der Vergangenheit angehören könnte - die abgeholzten Areale wurden in den Etappenberichten ja ermüdend häufig thematisiert.

Hier noch mal ein Stimmungsbild von Borkenkäfer-Country - bequeme Waldsofas einer Raststation, die einstmals auf einer hübschen Waldlichtung stand
Dort, wo der Borkenkäfer fern ist, bieten sich der Wandersfrau schöne Bilder.

Beim Lahnhof, kurz nach dem Aufbruch zur Wanderung nach Siegen

Den höchsten Berg des Westerwalds im Blick: die Fuchskaute (wo eben noch eine Käsesemmel vertilgt wurde) exakt in der Bildmitte

Rastplatz auf dem Weg zur Fuchskaute - kurz vor Weißenberg
Leitmotive: Gardinen, Orchideen, Fassaden. Und Besitztum
Gardinen sind ein Thema in Deutschland. So auch auf meiner diesjährigen kurzen Tour. Der Westerwald gibt für eine neue Gattung der Fotografie einiges her, das "Fensterbild" nämlich (nicht zu verwechseln mit dem "Fenstertier", das diesmal nicht gesichtet wurde - Link führt zum entsprechenden Beitrag). Dieses beinhaltet üblicherweise ein Wohnhaus mit Fenster, Gardine und: weiße Orchideen.

Fensterbild mit Fensterdeko und Vorhang. Wer sich fragt, was das für fast geometrisch perfekt verteilte weiß umrandete Rechtecke auf den Scheiben sind: eine Spiegelung der Fenster der gegenüberliegenden Fassade - ebenfalls mit schönen Gardinendrappierungen

Zwei Themen in einem Bild. Zunächst - klar - die Vorhänge, die ein Blickloch freilassen. Und dann die Frage: Sind die Inhaber dieser gepflegten Immobilie reich? Nach Auffassung eines Großteils der Erdbevölkerung (mehr als 90% sicherlich): ja. Denn so etwas zu besitzen erfordert neben dem Geld, es zu errichten, zu erwerben und zu unterhalten, auch Zeit und Muße, es in diesen makellosen Zustand zu bringen (und zu erhalten). Nach deutschen Maßstäben: nein. Diese Siedlungsform dominiert nach meinen bisherigen Erkenntnissen weite Landstriche Deutschlands - die Dörfer, die Kleinstädte und die Vorstädte

Sind die Leute, die hier leben, reich? Hier gilt dasselbe wie oben. Auch wenn die Vorhänge und die Makellosigkeit fehlen: So einen Zaun (aus Beton oder Ähnlichem), ein Trampolin und ein Schwimmbecken muss man sich leisten können. Oder wollen
Weitere Eindrücke von unterwegs:

Im Westerwald, also im Übergang zwischen Sauerland und Taunus, sind noch zahlreiche Häuser mit Schieferfassade zu finden. Auf die häufig anzutreffende Fassadengestaltung wie die oben im Bild kann ich mir bislang noch keinen Reim machen: Schieferimitat, weißer Schiefer oder weiß angestrichener Schiefer?

Dieses Gebäude hat noch die Originalfassade. Die Sprossenfenster wurden als Zugeständnis an die Hausfrau ersetzt durch Vollglasfenster (leichter zu putzen). Die rohen Hohlblocksteine beim Treppenaufgang harren noch einer Verschönerung

Selten gesehen, in Baden-Württemberg mittlerweile verboten: Der Steingarten. Weiterhin erlaubt bleibt bundesweit der "Gabionenzaun". Hier ein eigenwilliges Arrangement, vor einem Gebäude mit Dächerpotpourri im Hintergrund. Links im Anschnitt die "Fassadenverkleidung in Schieferoptik Weiß" (Fachbegriff der Anbieter)
Freilich gibt es neben all diesen, man muss hinzufügen: total normalen und realen Straßen- und Gebäudebildern auch romantische Ecken. Zum Beispiel im historischen Teil von Freusburg oder bei der Freusburger Mühle, wo wahrscheinlich die meisten nicht leben wollten - zu unbequem, sich mit der alten Bausubstanz zu arrangieren, schlechte Infrastruktur und teilweise keine Zufahrten.

Freusburg, Ortsteil auf dem Burghügel

Detail bei der Freusburger Mühle - gardinenfrei
Bayern. Schon wieder...
"Deutschland braucht Bayern." Diese Fest- oder besser: Unterstellung eines verblichenen (bayrischen) Poltergeists wurde in meinen früheren Beiträgen bereits bemüht. Das Bayrische hat ganz offensichtlich eine große Anziehungskraft auf Einwohner anderer Bundesländer (außer in Baden-Württemberg), weswegen Biere und "Stuben" / "Stadl" dort recht erfolgreich sind. Gilt das auch für das Siegerland und den Westerwald?

Unterwegs im Siegerland und im Westerwald ebenso wie in Niedersachsen und im Sauerland mehrfach gesehen: Beim Fußball dominiert Bayern München. Hier ein Beispiel aus Freusburg - eine Fan-Klause, wenn man so will

"Wirtshaus", "Stüberl", "Biergarten" - bayrische Lebensart hoch drei. Gesehen im ansonsten eher unbayrischen Siegen
Raststationen
Mit der obigen Abbildung wären wir bei den Raststationen und beim Bier angelangt. Erfreulicherweise gibt es in dieser Region zahlreiche heimische Brauereien, deren Erzeugnisse getestet werden konnten. Hierauf muss noch näher eingegangen werden:
Es geht nämlich das Gerücht, ich sei eine Biertrinkerin. Das stimmt nur bedingt. "Eigentlich" mag ich lieber Wein. Aber es gibt Situationen, Orte, Speisen und insgesamt Befindlichkeiten, die ein Bier erfordern. So etwa der Abschluss einer Wanderung im mittleren Deutschland, wo man die Bedienung nicht zu fragen braucht, was das für ein "Riesling" auf der Karte ist, und wo es zu Bratpfannengerichten selten mal Alternativen gibt. Der große Flüssigkeitsverlust, den man unterwegs erlitten hat, ist mit einem, zwei oder drei Glas Wein - möge er noch so gut sein - schlicht und einfach nicht auszugleichen. Mit ein, zwei oder besser drei Bier aber schon.

Die goldgelbe eisgekühlte schaumgekrönte Belohnung. Oder: Collage von Tagesendbieren. (Krombacher gibt es praktisch überall und wurde als Platzhirsch ausgelassen. Ich räume ein, dass es nicht so schlecht ist, wie ich anfangs unterstellt habe.) Aber nun der Reihe nach: Oben links ein Erzeugnis der Erzquell Brauerei (Nähe Gummersbach), ebenso wie unten rechts. Die helle Variante ist der dunklen vorzuziehen, weil herber. Oben rechts das Pils der Brauerei Irle aus Siegen. Mitte rechts und links: Beides Biere aus der Westerwald Brauerei in Hachenburg. Links ein Pils mit starker Hopfennote, rechts eine Sonder-Edition, nach brauereieigener Beschreibung "(...) ein Bier aus den frühen Brauerei-Gründerzeiten, so wie es hier in der Region um die Jahrhundertwende getrunken wurde." Mir persönlich ist es ein wenig zu "dick". Unten links das bereits letztes Jahr für gut befundene Bosch Bier aus Bad Laasphe
Und wie wird in der durchschrittenen Region für das leibliche Wohl der Wandersleute gesorgt? Schwer zu sagen in einer Zeit, in der ein unberechenbares Virus Einschränkungen mit sich bringt. Viele Gaststättenbetriebe sind geschlossen - Corona hat vielen den Rest gegeben. Daher ist es ratsam, eine Unterkunft zu buchen, in der man nach der Ankunft einen Belohnungstrunk sowie ein Abendessen und morgens vor dem Abmarsch ein Frühstück bekommt.

Hier bekommt man sowohl eine wohlverdiente Stärkung am Abend als auch ein westerländisches Frühstück am Morgen: coronamäßig gestaltete Gaststube der "Hubertusklause" in Bad Marienberg, die übrigens gut frequentiert ist. Es gibt einen weniger steril wirkenden Raum mit Theke, der allerdings Einheimischen und Stammgästen vorbehalten ist
Noch ein paar Sätze zum Frühstück: Fans von Weißmehlbrötchen, Marmelade oder fettiger Wurst, wahlweise portionsweise abgepacktem Industrie- bzw. Schmelzkäse sowie süßem Früchtejoghurt mit gleichzeitiger Aversion gegen Obst (Äpfel) und Vollkornprodukte (Müsli) sind in dieser Gegend genau richtig. Sie können ordentlich zulangen.
Ähnliches gilt für das Abendessen und für Zwischenmahlzeiten (Mittagessen). Salat oder Gemüse stehen selten auf der Speisekarte, dafür Schnitzel mit Pommes oder Rumpsteak mit ... Pommes. Vegetarier können wählen zwischen Käsespätzle, Käsespätzle und Käsespätzle - Siegeszug einer allemannischen Spezialität. Veganer hingegen haben ein Problem.
Puristen übrigens auch. Wer Eklektizismus und originelle Kombinationen verabscheut und Lean Style oder reduzierte Stilrichtungen zum Glücklichsein braucht, sollte besser zu Hause bleiben und sich auf seiner Designerliege ausruhen. Alle anderen kommen voll auf ihre Kosten.

In diesem Haus gibt es viel zu entdecken. Stilistisch kaum etwas ausgelassen - Kombinationsfreude pur. Von der Bourbonenlilie über die barockisierende Heizungskonsole und den alpenländischen Balkon bis hin zum Fünfziger-Jahre-Pflanztrog wird alles geboten, Feuerlöscher und Gießkanne komplettieren die alles in allem harmonische "Komposition mit Kakteen". Das Hotel-Restaurant "Zum Weißen Stein" in Katzenbach kann punkten - qualitativ und kreativ
Flora (und so was wie Fauna)

Autoaufkleber. Soll möglicherweise ein Tier abbilden - daher in dieser Rubrik. Nicht tierisch ist jedoch der Ursprung der Darstellung:

Wer kennt es heute noch? Das Graffito "Kilroy was here" - wesentlich weniger komplex, dafür ikonischer (Screenshot des Suchmaschinenergebnisses für den Begriff "Kilroy")
So, genug mit Witzeleien.
Tierfreunde müssen auf dieser Tour darben. Selten mal ein Rind oder ein Pferd. Reh, Fuchs, Has' und Maus sind so flink, dass eine fotografische Dokumentation wegfällt. Bleiben die geduldigeren Blumen, die alle am selben Tag vor die Linse kommen.

Spätsommerlicher Blütenzauber am Weg nach Hirtscheid

Sonnenblume in urbaner Umgebung - in Alpenrod

Blüte mit Hummel - beim Dreifelder Weiher
Sehr gerne hätte ich ein neues Motiv "Wanderschuhe ruhen sich aus" präsentiert. Es gab keine Gelegenheit für eine solche Aufnahme. Hier der Ersatz, der auch ganz gut passt:

Vor dem Abmarsch an einem sonnigen Tag - Beine, Füße und Schuhe haben sich eine ganze Nacht lang ausgeruht
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