Die Route führt mich auf dem Fernwanderweg E1 von Ratekau über Kreuzkamp nach Kücknitz. Ab dort in Abwandlung des vorgegebenen Weges ein Ausflug nach Gothmund und dann an der Trave entlang nach Lübeck. Diese Variante ist ca. 23 Kilometer lang. In Lübeck selbst gibt es viel zu erlaufen und zu besichtigen, wobei mehr als 10 Kilometer zustandegekommen sind
Das ist sie, die Abwandlung vom E1 auf dem Weg zwischen Ratekau und Lübek - mit dem Bus über die Trave (Off-grid-Abschnitt auf der Karte), dann nach Gothmund und schließlich nach Lübeck
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Einer Empfehlung des Betreibers der Unterkunft in Ratekau folgend, wird kurzfristig der Plan für diesen Streckenabschnitt geändert: Statt in einen Vorort von Lübeck zu gelangen (z.B. Eichholz), dort den Bus in die Stadt zu nehmen, der Beschluss, durch die ehemalige Fischersiedlung Gothmund zu streifen und anschließend den Pfad entlang der Trave durch das Naturschutzgebiet Schellbruch in die Stadt zu laufen.
Der Weg bis nach Kücknitz führt auf schönen Wegen über Felder und durch Wälder. Man quert die Dörfer Kreuzkamp und Kleinensee. Von verschiedenen Punkten des Weges aus kann man das Ziel schon erkennen.

Kurz vor Kücknitz, beim Waldhusener Forst beunruhigen mich Schüsse. Mich beschäftigt sofort die Frage, woher der Jägersmann wohl weiß, dass ich keine Wildsau bin, sondern allenfalls ein Problem- oder Schadmensch, der die Umwelt zerstört, den Tieren den Lebensraum wegnimmt und das Wild, das der Jäger jagen will, unnötig aufschreckt oder gar verscheucht. Ich bin froh, als ich den Wald wieder verlasse.

Bis nach Kücknitz ist es weiter als gedacht. Der E1 führt an dem Ort vorbei, die Neugier indessen treibt die Wandersfrau ins Zentrum. Man erreicht es über eine sehr aufgeräumte, man möchte sagen: typisch deutsche Vorortsiedlung. Fleißige Hobbygärtner betätigen sich in ihren Gärten und Vorgärten, zupfen Gras und verwelkte Blüten oder machen mit Flammenwerfern dem in Steinbelägen wachsenden "Un"Kraut den Garaus.
In der Phantasie hatte man sich vorgestellt, in dieser Stadt zu pausieren, eventuell etwas zu essen. Vor der Johanneskirche ist ein Platz mit Bänken. Die gesamte Ortschaft wirkt hingegen merkwürdig unbelebt. Bei der Kirche die "Kücknitzer Klause", ein Bierstüberl, wo ich nachfrage wegen Essen. Sehr hilfsbereite Auskunft, man könne das schräg gegenüber an der Hauptstraße gelegene "Gottschi" empfehlen. Dieses wird von Griechen betrieben, so ungriechisch der Name und das Sortiment auch sein mögen. Der Sitzplatz draußen ist annehmbar und die Folienkartoffel schmeckt. (Nachtrag 2025: "dauerhaft geschlossen")
Noch gibt einem das amtliche Kennzeichen, das immer häufiger gesehen wird, Rätsel auf. Bis der Groschen fällt: HL ... Hallo Leute! Hansestadt Lübeck! Kann man ja gleich draufkommen.
Der Weg aus Kücknitz hinaus ebenfalls sehr aufgeräumt:

Zwischenzeitlich die Überlegung, wie man durch den Autobahntunnel auf die andere Seite der Trave gelangt. Ganz einfach: Es gibt einen Shuttle-Bus, auch für Fahrräder, der kostenlos alle 10 Minuten fährt. Auf der drüberen Seite ein Pfad an der Trave entlang bis nach Gothmund.
Auf der anderen Seite der Trave angekommen, hätte man noch die Möglichkeit, sich die Nägel richten zu lassen, ...

... von Blühmchen nämlich - das H in dem Namen macht den Unterschied!
Aber:

Die Trave ist etwas für Fans der Schifffahrt und damit zusammenhängender alter und neuer Industrien

Weil's grad so schön ist, der bunte Hintergund im Detail


Es gibt hier allerdings auch welche, die gegen den Strich gebürstet sind.

"Grün, Blau und Rot sind des Fischers Tod" ist ein Spruch, der von Fischern aus Schleswig-Holstein verwendet wird, um ihren Protest gegen Fangverbote und Einschränkungen ihrer Fischerei auszudrücken - mehr dazu im (wie passend!) Netz
Bei all der Ordnung: am Ortsausgang lebhaftes Chaos. Hierher kommen die Touristen nicht mehr.

Beim Gang Richtung Stadt über das Naturschutzgebiet Schellbruch große Freude über die Entscheidung, abseits des E1 zu Fuß und nicht mit dem Bus unterwegs zu sein. Das Wetter, der Wind, das Wasser, die Boote und "Schifferln" (bayrisch für alle nautischen Fortbewegungsmittel) - da kommt Laune auf und der Rucksack wird leicht.



Lübeck voraus - Fußweg an der Trave entlang
Nach diesem Ausflug an die Trave geht es weitaus weniger gemütlich weiter. Der in der Bevölkerung als Glashüttenweg bekannte Uferpfad (der in eine Straße desselben Namens mündet) endet in einem sonntags vollkommen entleerten Industriegebiet mit parkenden LKW. Das Wetter ist mit einemmal trübe, es fängt an zu tröpfeln und bis in die Stadt zu meiner Unterkunft sind es noch gut 5 Kilometer, die größtenteils an stark befahrenen Straßen entlangführen. Dort fragt mich ein Passant, ob ich zur Jugendherberge will. Ich fühle mich direkt ein wenig geschmeichelt. Einen Lichtblick gibt es an der Eric-Warburg-Brücke: Die Fehmarnbelt fährt gerade aus Neustadt kommend ein. Zu weit weg, um zu winken - einmal symbolisch, und dann geht's Richtung Stadt.

"Mein" Schiff! Die Fehmarnbelt fährt ein - hier hätte ich mitfahren können

Da das gebuchte Quartier noch vor 18 Uhr erreicht werden soll, muss ein ziemlicher Schweinsgalopp hingelegt werden. Das Viertel ist geprägt von niedrigen Vorstadthäusern, die im Licht der untergehenden Sonne hübscher aussehen als sie sind.

Lübeck selbst ist ein Ort, in dem ich so Manches nicht verstehe. Das auf einer Insel gelegene Zentrum hat einen geradezu musealen Charakter. So viele interessante und einzigartige Gebäudemonumente, dass man jedes einzelne eingehend betrachten möchte, wofür die Zeit fehlt. Gewissermaßen ein optischer Overkill. Zahllose kleine Gassen, die zu einer Erkundung einladen. Gleichzeitig wirkt das Ganze seltsam ungelebt (so geschrieben, wie gemeint), unlebendig. So, als ob es vollkommen gleichgültig wäre, dass es all diese bemerkenswerten Gebäude gibt. Man spürt nicht, dass ihre Eigentümer stolz auf sie wären oder gerne in ihnen leben.


Das Schild rechts oben im Bild weist darauf hin, dass dies seit 1491 die Herberge des Bischofs von Ratzeburg war. Bei dem jämmerlichen Zustand des Gebäudes hätte man es, das Schild, vielleicht besser entfernt
Sogar das eindrucksvolle Holstentor steht auf einer verkehrsumtosten Grünfläche, so dass man gar keine Lust hat, es aus der Nähe zu besichtigen. Auch kommt es einem so vor, als ob es der Stadt nicht gelingt, das Problem mit den Wandschmierereien in den Griff zu bekommen. Gaststätten scheinen nur für Touristen da zu sein: Die Suche nach einem Lokal, in dem man sich gemütlich niederlassen kann, gestaltet sich mehr als schwierig. Demgegenüber die Bezirke außerhalb der historischen Altstadt. Wirken geradezu proletarisch. Gerade so, als setzten sie einen Kontrapunkt zur "reichen" Innenstadt. Industrieflächen bis nah an die städtischen Wohngebiete.

Die Menschen. Auffallend viele verlorene Gestalten. Und insgesamt eine andere Interpretation von Höflickeit. Kann ich hier sitzen? Ja, wenn Sie das wollen ... (der höfliche Aspekt dabei: Sie können tun und lassen, was Sie wollen). Oder: Oh Gott, das sind ja viel zu viele Pommes frites! Wer soll das denn essen? (Vielleicht eine Höflichkeitsfloskel, die negativ wirken kann, analog zum bayrischen "des hätt's doch net braucht!" anstelle eines schlichten Dankeschöns). Vielleicht ist es aber auch nur die Sprachmelodie, die Manches vorwurfsvoll klingen lässt. Ich komme jedoch gerne einmal wieder, um meine Wahrnehmung während meines ultrakurzen Aufenthalts zu revidieren.

Raststationen
Auf der Landstraße kurz vor Kreuzkamp eine Picknickstation. Nach Kreuzkamp keine Rastmöglichkeit bis Kücknitz.
In Kücknitz auf dem Kirchplatz St. Johannes mit ein, zwei Imbissstuben. Für gut befunden die Restauration eines griechischen Betreibers mit dem wenig griechisch klingenden Namen Gottschi.
In Lübeck nach einer Telefonkonferenz und fernmündlichen Internetrecherche mit meinem Wegbegleiter und Fernmitwanderer fällt die Wahl für das Abendmahl auf die Schiffergesellschaft.

Die "Schiffergesellschaft" in Lübeck, wo man mitten in einer originellen Kulisse ein sehr durables Abendessen bekommt. Das Jever vom Fass wird nach einem Test dem Ducksteiner vorgezogen
Die Suche nach einer Lokalität, wo man ein spätes Frühstück / frühes Lunch einnehmen kann, gestaltet sich als schwierig. Wo geht der Lübecker hin? Ich hab's nicht wirklich rausgefunden. Ein Ort war ein Schuss in den Ofen (bei mir gibt's keine negativen Kritiken, deswegen wird er nicht genannt), das Nord im Hansemuseum ist sehr touristisch, hat aber einen schönen Blick, ebenso wie die Bar Celona, wo man draußen sitzen und auf den Museumshafen schauen kann.

Blick vom Obergeschoss der "Bar Celona", im Hintergrund links "mein" Schiff, die rote Fehmarnbelt, zu sehen
Gewohnt habe ich im Fischer Apartment, das man über eine gemeinhin bekannte Buchungsplattform buchen kann, in Sankt Lorenz, etwa 15 Minuten Fußweg von der Innenstadt entfernt. Es ist sehr geräumig und nimmt es nicht übel, wenn die Mieterin den Inhalt des Gepäckstücks nicht sorgfältig verstaut. Fällt bei der Größe sowieso nicht auf. (Nachtrag 2025: Gibt es wohl nicht mehr - dafür viele andere mindestens genauso praktische Unterkünfte)

Bild an der Wand mit ambitionierter Aussage. Was ist das eigentlich, Lifestyle? Ich erkläre das gerne - bei Interesse melden!
Fauna

Sitzenbleiber. Die Kröte (in dem Fall: Jungkröte) verlässt sich darauf, dass man sie nicht sieht
Mehrere Male bewirkt nur ein spontaner Satz nach vorne, dass das Tier überlebt. Was übrigens an selber Stelle aussieht wie über den Boden krabbelnde und hüpfende Insekten, sind Jungtiere, also auch Kröten. Sie sind so zahlreich unterwegs, dass man Gefahr läuft, gewissermaßen durch einen finalen Todestritt zum Ende dieser Tierart beizutragen, wenn man nicht höllisch aufpasst. Ganz vermeiden lässt sich dieses Drama aber nicht.
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