Zusammenfassende Betrachtung einer ca. 250 Kilometer langen Fernwanderung auf dem Europäischen Fernwanderweg E8 im äußersten Westen von Deutschland in der Region Niederrhein - von der Staatsgrenze bei Nijmegen über Kleve, Xanten, Schwalm-Nette-Tal, Wachtendonk, Hinsbeck, Wassenberg und Geilenkirchen
Nicht der richtige Blog-Eintrag? Oder Lust auf mehr zum Thema Wandern und Fernwanderung? Zu Planung, Ausrüstung und Tipps? Zum Thema "Walking on the cool side"? Hier geht's zurück zu: Cool Walking
Vieles anders
Zu Beginn dieser Zusammenfassung ein paar Bilder, die die erste Deutschland-Etappe des E8 von Nijmegen bis Aachen charakterisieren, die es aber aus verschiedenen Gründen (Redundanz!) nicht in die Hauptbeiträge geschafft haben.
Wandern übers Land bei Overhetfeld, nachdem der Regen aufgehört hat - auf dem Weg nach Wassenberg
Auf derselben Strecke gefällt auch das lange Stück durch den Wald:
Unterwegs im Nationalpark Meinweg in der Nähe von Dalheim
Das Land ist flach, es gibt schöne Höfe, die einem auf den diversen Asphaltmärschen vor die LInse kommen.
Auf dem Fußweg nach Xanten - man beachte die Schwalbe, die rechts oben durchs Bild fliegt!
Hof in der Nähe des Oermter Bergs bei Kamp-Lintfort. Hier bewegt man sich übrigens in der Nähe eines "Strategischen Bahndamms", rechts einmündend die Spanische Straße
Wenn man an den Höfen direkt vorbeikommt, gibt es immer wieder schöne Details.
Auf der Reitschule kurz vor Erreichen von Wachtendonk
Auch in den Städten habe ich viel fotografiert, ohne die einzelnen Motive einordnen zu können.
Altes Ladengeschäft in Xanten mit Kombination von Jugenstilmotiv und - man muss es leider so sagen - scheußlich-lieblosem Eingangsbereich. Gesehen in Xanten
Fixierung für Fensterladen - Detailfoto aus Kalkar
Die eigentliche Attraktion, weswegen Touristen in diese Gegend kommen, um dort zu wandern oder spazierenzugehen, ist der De-Witt-See. Wenn man ihn in der Suchmaschine eingibt, kommen herrliche Bilder und tiefblaues Wasser mit schönen Spiegelungen. Entsprechend groß ist die Erwartung der Autorin. Diese wird irgendwie auch erfüllt, wenngleich der See sich an diesem Tag so ganz anders präsentiert. Immerhin spektakulär grün:
De-Witt-See, gar nicht blau, sondern grün, weil bedeckt mit Entengrütze (oder auch: Kleine Wasserlinse). Gesehen an einem Tag im September 2022
Bei Ankunft in Siedlungen und Ortschaften muss die naturliebende Wanderin regelmäßig einen Kulturschock erleiden. Die Natur folgt bekanntermaßen einem Kreislaufsystem und alles, was da passiert, hat seinen Sinn und seine Logik. Ist es richtig, sich diese phantastische Ordnung untertan zu machen?
Wo, bitte, soll hier ein Bestäuber bestäuben? Wo soll das Wasser versickern? Soll hier vielleicht vom Boden gegessen werden? Wo ist das Chaos, das Unerwartete, das das Leben lebenswert macht?
Die Backsteinfassaden bewirken zumindest einen harmonischen Gesamteindruck. Das ist aber auch schon alles. Etwas dermaßen Aufgeräumtes bekommt man weltweit glaube ich nur in Deutschland zu sehen
Warum Menschen, die ja offenbar auch Freude an Farben und Blumen haben, den gesamten Garten plätteln, ist mir rätselhaft.
Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Eigentümer dieser Pracht auf ihrer schmiedeeisernen Garnitur sitzen, mit Blümchentischdecke, Kaffee trinkend, und sich über die kontrollierte, nicht heimische Pflanzendeko freuen.
Anmerkung: Ich gehe davon aus, dass die Inhaber diese Form der Gestaltung sowie die nicht vorhandene Intimität gewählt haben, weil es ihnen genau so, wie es jetzt ist, gefällt. Was ihr gutes Recht ist.
Ja, kann jeder machen, wie er will. Nur darf man sich dann nicht über die Konsequenzen wundern: Wasser fließt ab und infundiert nicht in den Grund, da dieser es nicht aufnehmen kann. Ein Wasserkreislauf kann auf diese Weise auch nicht entstehen. Die Sucht der Deutschen nach Ordnung und Sauberkeit ist sprichwörtlich und nirgends sonst auf meinen Wanderungen durch Deutschland habe ich diese "Tugenden" so stark wahrgenommen wie hier.
Auch typisch deutsch: Gartenzwerge, verblasst, diesmal nicht im Schotterbeet, sondern auf Holzschnipseln
Die liebste Fensterdeko der Deutschen ist nach meiner Feststellung die Orchidee.
Orchideen als Fensterschmuck - hier ohne die obligatorischen Halbgardinen, dafür wenigsten die Rollläden ein Stück heruntergelassen
Gewöhnungsbedürftig waren für mich die etwas spröden Umgangsformen. Menschen wollen nach meinem Eindruck nicht angesprochen werden und sind deutlich weniger mitteilsam wie anderswo (Sauerland, Hessen). Es gäbe viele Beispiele, die ich schildern könnte, Gespräche und Austausch von Infos, an deren Ende ich mir dachte, das wir - also ich und die Einheimischen nördlich von Herzogenrath - nicht dieselbe Sprache sprechen. Die Begebenheiten bräuchten einen gesonderten Eintrag und ich belasse es dabei, dass ich diese Art der Kommunikation sonst nirgends erlebt habe.
Das Internet hat unser Konsumverhalten logischerweise komplett verändert. Dort, wo früher Haushaltsgeschäfte oder Vergleichbares waren, gibt es in praktisch jedem Ort Thai-Massagesalons, Nagelstudios, sehr viele Friseure. Und dies hier:
Im grellen Sonnenlicht: "Sun Lounge" in Kaldenkirchen, wo es an diesem Tag nicht nur keinen Mangel an Sonnenschein gibt, sondern die Außentemperatur hochsommerlich ist
Ja, die ungewöhnliche Hitze für diese Jahreszeit war schon ein Thema - bis zu 30 Grad hatte es an einigen Tagen. Bei hohen Temperaturen lässt zumindest bei mir die Kondition merklich nach, der Gang wird langsamer, das Wandern ist schweißtreibend. In der Form, dass ich jeden Abend meine komplette Montur - nicht nur die Leibwäsche - durchwaschen musste. Vorteil: Die Sachen trocknen dann auch schnell.
Hier muss ein Einschub zum Thema "Wandertemperatur" erfolgen. Für Nichtwanderer sind 28 Grad im Schatten genial, vor allem, wenn man im selbigen Schatten sitzt und einen Aperol Sprizz oder Ähnliches schlürft. Sobald man sich aber zu einer Betätigung aufmacht, wird's direkt ein bisschen unangenehm warm. Wenn man dann auch noch in der prallen Sonne, womöglich auf Asphalt unterwegs ist, steigt die Temperatur der Luftumgebung um bis zu 20 Grad. Ich mag jetzt nicht wegen ein paar Grad rauf oder runter festgelegt werden, in jedem Fall ist die Außentemperatur über der Körpertemperatur. Also: zu heiß. Punkt.
Zur Veranschaulichung Bild mit Erklärung: An einem Tag mit 27,4 Grad im Schatten ist es in der Sonne schon 37,3 Grad. Am Boden wirkt sich das so aus: Im Schatten 22,8 Grad, in der prallen Sonne dann schon 46,4 Grad
Nun könnte es sein, dass bei meinen Schilderungen der Eindruck entsteht, ich wolle mich beschweren, lustig machen oder gar von der Tour abraten. Mitnichten: All die beschriebenen Phänomene tun meiner guten Laune keinen Abbruch, denn ich nehme alles mit Erstaunen und Interesse auf. Und mit meiner Überzeugung, dass es schlechterdings nicht überall gleich sein kann. Schön und unterhaltsam war dieser Abschnitt des E8 allemal.
Wie beim E1 gibt es auch hier eine Art "offizielle" Einteilung in 10 Tagesetappen zu jeweils 20 bis zu fast 40 Kilometer. Zu beachten ist dabei: Einerseits fehlt dann die Zeit für Besichtigungen und Erkundungsspaziergänge, andererseits befindet sich am Ende manch einer dieser Etappen keine Unterkunft. Möglich und machbar ist es aber - also: Die Strecke in zehn Tagen zu gehen. Insbesondere meine beiden letzten Touren können zu einer zusammengefasst werden. Dann ist man statt 13 Tage entsprechend 12 Tage unterwegs. Und es gibt Varianten: mit oder ohne Xanten, zum Beispiel. Oder: Von Overhetfeld nach Wassenberg kann man auch eine längere Strecke über Wegberg zurücklegen.
Raststationen
Eine wichtige Rubrik in meinen Beiträgen, die ich hier mit einem Beispielbild beginnen möchte:
Die Abbildung zeigt vielerlei. Eine Sitzbank im Schatten unter einem Baum. Deutsch-romantisch. Eine säuberlich gereinigte geplättelte Auffahrt zu drei (3) Garagen ein und desselben Einfamilienhauses. Und auf der Terrasse nicht etwa ein "echter" Gabionenzaun, der wäre an der Stelle wahrscheinlich zu schwer, sondern die (um viele Kilos leichtere) Imitation eines solchen aus einer Plastikplane, eingeflochten in ein gefängnisgleiches Gitterzaunwerk
Was mir insbesondere in Gasthöfen aufgefallen ist: Man geht hier offenbar nicht wegen der Geselligkeit, sondern nur wegen der Speiseaufnahme ins Restaurant. Menschen verabreden sich dort, z.B. (wie beobachtet) zwei junge Männer, bestellen Cola oder Limo, dann kommt das Essen, sie loben die großen Portionen, die sie sich gegenseitig zeigen, dann wird alles vertilgt und bezahlt. Von Anfang bis Ende kein Wort gesprochen. Auch beobachtet bei Paaren. Bei Gruppen (ab vier Personen) hält meistens einer Monologe, die anderen lauschen andächtig, gelegentlich äußert jemand ein anerkennendes Brummen. Während dem Essen wird nicht geredet. Bedienungen wollen nur auf das Nötigste angesprochen werden (Bestellung), sind genervt, wenn man beim Hinsetzen noch nicht weiß, welches von den vier Bieren, die aus dem Zapfhahn kommen, man haben will. Das Essen kommt innerhalb von Minuten - das ist ein Zeichen von Qualität. Ich würde das nicht thematisieren, wenn ich das nur einmal beobachtet bzw. erlebt hätte. Und, klar: Diese Kultur steht im Gegensatz zu meiner Auffassung, dass der Gasthof aufgesucht wird wegen Beisammensein und Austausch zwischen den Menschen.
Dabei gibt es ganz offensichtlich eine große Sehnsucht nach dem Gemütlichen. Schnitzel (eine süddeutsche bzw. österreichische Spezialität) mit allerlei Soßenvariationen beherrschen die Speisekarten. Wenn es dann aber mal was Bayrisch-Badisch-Schwäbisches gibt, dann ist die Begeisterung groß: "Oh schau mal, da gibt's Semmelknödel mit Pilzsahnesoße!", "Ah, ich nehm die Käsespätzle!" Weitere "einheimische" Spezialitäten sind übrigens Hamburger und argentinische Rindersteaks und werden praktisch überall angeboten.
Begrüßung in einem (übrigens sehr empfehlenswerten) Restaurant in Xanten - in dem es, wie überall anderswo auch, unter anderem das bayrische Erdinger gibt (das merkwürdigerweise hier ganz anders schmeckt als in Bayern selbst)
Womit wir beim abendlichen Belohnungstrunk angelangt wären: Bier, ohne Frage. Neben Bitburger (keine Abbildung) gibt es gelegentlich Beck's oder Veltins. Ansonsten fand ich das schön herbe Alt von Bolten sehr trinkbar. Es gibt noch zwei Sonderfälle:
Der Brauereigasthof in der alten Mühle von Kalkar kredenzt Selbstgebrautes. Dieses schmeckt mir einen Tick zu süß, was aber auch daran liegen kann, dass es ausgerechnet heute nicht in der üblichen Trinktemperatur zur Verfügung steht. Als Trostpflaster erhalte ich eine Flasche ebenfalls dort gebrautes Witbier - das scheint eine belgische Spezialität zu sein, zeichnet sich durch einen intensiven Hopfengeschmack aus
Beim Kölsch muss man übrigens aufpassen. Ich mag es ja, vor allem, weil man es häufig nachbestellen muss, um auf eine kritische Menge zu kommen, was zu Folge hat, dass es immer frisch und kühl ist. In der Theorie. Nicht so, wenn es einem Zapfhahn entnommen wurde, der selbiges Kölsch nur einmal am Tag ausspuckt, weil die Gäste lieber ihr Bitburger trinken. Dann nämlich schmeckt es wie eingeschlafene Füße.
Wer lieber Wein trinkt, muss abwägen. Die Nähe zu Rheinland-Pfalz bedeutet nicht, dass es hier ein besonderes Verständnis für dieses Getränk gibt. Um so mehr erregt diese Inschrift auf einem Gebäude in Xanten die Aufmerksamkeit der Wanderin:
"Im Wein ist Wahrheit" - wenn's wahr wäre ... Jedenfalls ist Wein nicht das Getränk der Wahl, wenn man hier im äußersten Westen Deutschlands unterwegs ist
Am Ende meiner Beiträge schreibe ich immer, wo ich untergekommen bin. Diesmal waren die Preise deutlich höher als bei den anderen Reisen - im Durchschnitt kam ich auf 80 Euro pro Übernachtung inklusive Frühstück. Auch die Jugendherberge war keine besonders günstige Variante.
Die Unterkunft, in der dieses schöne Stillleben "Gardine mit Stoffblume in Orange" aufgenommen wurde, war wahrscheinlich die preislich günstigste. Einfacher Standard, modernisiertes großes Bad mit kleiner Schlafstube. Vollkommen ausreichend für mich. Das Frühstück halt sehr deutsch (frische Weißbrötchen mit Marmelade und Wurstwaren, Orangensaft und Ei).
Vielleicht ist es möglich, bei einer anderen Routeneinteilung Übernachtungen zu sparen oder durch Abscannen der Karte im Internet kleine Häuser oder Handwerkerzimmer zu identifizieren, die einen niedrigeren Standard und niedrigere Preise haben - Tipps können gerne über die Kommentarfunktion unten auf dieser Seite geteilt werden!
Flora und Fauna
In den Beiträgen wurden praktisch alle gezeigt. Bis auf das Untier, das mich auf den Höhen des Oermter Bergs anfiel und in den Finger stach. Keine Wespe, aber sehr unangenehm brennend mit deutlich sichtbaren Einstichloch. Das Insektengel (meins ist von Fenistil) ist erfreulicherweise griffbereit und bringt schnell Linderung.
Man wird, wenn man durch Deutschland wandert, häufig verbellt. Nicht selten sieht das genau so aus: Kombination von Gitterzaun und Plastikelementen an Fahrzeug, mit wildgewordenem Lumpi
Mir gefällt der Unterbiss dieses schön gezeichneten Tiers. Was es sich von mir erhofft, weiß ich nicht
Das gewohnte Bild "Wanderschuhe ruhen sich vor Kulisse aus" muss diesmal entfallen - es gibt in dieser Gegend (mangels Panoramen?) keine sogenannten Waldsofas. Statt dessen zwei Motive mit Wandersfrau:
Einmal sommerlich mit Hut, Seidenschal und hauchdünnem Merinoshirt, einmal in Regenmontur (leichtes Besteck, um nicht zu sagen: Bedeck)
Hinterlasst einen Kommentar (Eingabefeld unten).
Bevor Euer Kommentar freigeschaltet wird, schaue ich noch mal drauf. Als Namen könnt Ihr ein Pseudonym wählen. Eure E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Mehr hierzu findet Ihr hier und im Impressum / Datenschutz
Hier geht's zurück zu: Cool Walking